Führungskompetenz (Buchrezension)
Ich habe in letzter Zeit einige Managementbücher mit Schwerpunkt Krise als Chance gelesen und dabei ist mir aufgefallen, dass die derzeitige Sichtweise von Führung in Krisenzeiten Qualitäten einfordert, die wir auch im Yoga trainieren. Ob das immer so war, müsste man querlesen, aber dass es jetzt so beschrieben wird, ist auf jeden Fall erfreulich. Man muss kein CEO eines börsennotierten Unternehmens sein, um sich für solche Themen zu interessieren. Führungskompetenz wird schon in der Kleinfamilie gefordert, in jeder Krisensituation ebenso und letztlich sind wir als Lehrende ja alle mit dem Führen von Menschen beschäftigt.
Besonders das Buch von Konrad Stadler „Die Kultur des Veränderns“ ist von meditativer Praxis inspiriert, was allerdings erst auf Seite 198 erklärt wird. (Hoffentlich lesen die gestressten Manager bis dahin!). Ein inspirierendes Buch, in dem ich ein wenig mit Euch schmökern und Parallelen zum Yoga Sutra suchen möchte.
Schon einleitend schreibt Konrad Stadler: „Steigenden Belastungen sind jene Menschen gewachsen, die ein Gleichgewicht aus Beschleunigung und Verlangsamung, aus Machen und Loslassen herstellen.“ Oder: „Die essentiellen Erfolgsfaktoren von Veränderung bauen darauf auf: Lebensmut und Lebensfreude.“ Für uns Yoginis sind diese Aussagen verständlich, trotzdem: verharmlosen wir nicht den Kontext. Es geht um steigende Belastung und beschleunigten Veränderungsdruck, da gerade in Krisenzeiten die Zeit knapp wird. Doch Konrad Stadler ist überzeugt, dass der Mensch ein Veränderer und Innovator ist und daher Krisen als Chance nützen kann.
Wichtig ist allerdings den Sinnzusammenhang nicht zu verlieren und erreichbare Ziele zu formulieren. Daher müssen gerade Führungskräfte, die er auch als Haltungseliten bezeichnet, sich mit Werten/Ethik auseinandergesetzt haben. „Werte sind der Kristallisationspunkt einer Kultur“ schreibt er und meint damit „.. Menschen, die einen geistigen Übungsweg gehen, weil sie in der Lage sind, die Höhen und Tiefen ihres Lebens für sich persönlich auszuwerten und in einen Reifeprozess zu verwandeln.“
Konrad Stadler betont, dass Werte eine innere Haltung widerspiegeln müssen, denn: „Im Ernstfall, bei Konflikten, in Stresssituationen verliert sich angelerntes Verhalten. Zur Wirkung kommt die eigentliche Haltung.“ Um also im Ernstfall richtig zu reagieren, empfiehlt er geistige Übungen/Kontemplation. (Der für uns Yoginis passende Terminus wäre Meditation). „Das Schauen ist der Kerngedanke der geistigen Übungen“, schreibt er und verweist auf „den Blick von oben“ der antiken Philosophen. Aber nur wer mit Regelmäßigkeit übt, wird dies dann auch umsetzen können, denn „man kann nur das gut, was man ständig wiederholt.“ (vgl. YS 1.14)
Zu den Kardinaltugenden eines/r Krisenmanagers/in zählt er dabei:
- Klarheit – der unverstellte Blick auf die Realität (vgl. YS 1.3)
- Mut – für etwas einstehen bzw. etwas durchstehen (vgl. YS 1.32)
- Das rechte Maß – ein Lebensgerüst, eine Lebensordnung haben, aber auch im Sinne von Geschwindigkeitsanpassung und das individuelle Maß finden (vgl. YS 2.38)
- Gerechtigkeit – Transparenz und Würde (vgl. YS 2.36)
Um Werte im Unternehmen zu leben, sind außerdem vier Kompetenzen wichtig:
- Achtsamkeit im Sinne von Gespür für andere Werthaltungen
- Sinnerschließung, die Fähigkeit das Einzelne in ein Ganzes einzuordnen
- Glaubwürdigkeit
- Rückbindung – die Fähigkeit, Menschen auf ein gemeinsames Ziel auszurichten
Ein in diesem Sinne werteorientiertes Unternehmen ist ein gesundes und punktet bei Indikatoren wie der Geben-Nehmen-Bilanz, einem guten Arbeitsklima oder bei der Gesprächskultur. Und eine solche Wertegemeinschaft kann Probleme auch überdurchschnittlich lösen. Also ganz wichtig: gerade in Krisenzeiten dürfen Werte nicht – was leider in der Praxis oft passiert – aufgegeben werden!
Tipp: Konrad Stadler: Die Kultur des Veränderns. Führen in Zeiten des Umbruchs, ISBN 978-3-423-24764-1
Text: Alexandra Eichenauer-Knoll, erschienen in der Mitgliederzeitung von Yoga-Austria-BYO