Asteya oder das Recht auf Teilhabe

Asteya oder das Recht auf Teilhabe

Ein Text anlässlich der „Pass Egal Wahl“ 2024

Am 7. September 2024 werden ich zum zweiten Mal eine „Pass Egal Wahl“ mit anderen Aktivist:innen organisieren, diesmal in Traisen und diesmal vor der Nationalratswahl am 29.9.2024. Mit dieser Aktion, die von SOS-Mitmensch ins Leben gerufen worden ist und in NÖ von #zusammenhaltNÖ organisiert wird, soll auf den Wahlausschluss von immer mehr in Österreich lebenden Menschen hingewiesen werden.

Für mein Bundesland bedeutet das, dass 11% der Niederösterreicher:innen im wahlfähigen Alter bei der Nationalratswahl nicht wählen dürfen, weil sie keinen österreichischen Pass haben. Diese Menschen leben und arbeiten schon viele Jahre bei uns und sind teilweise hier geboren. Österreichweit sind es fast 20%, die größte Gruppe darunter sind Personen aus Deutschland.

Demokratie lebt aber von Beteiligung, nicht von Ausschluss. Politische Teilhabe fördert die Integration und den sozialen Zusammenhalt. Nicht zuletzt sollten die politischen RepräsentantInnen unseres Staates die gesamte Bevölkerung und deren Interessen vertreten. Immerhin sind es fast 1,5 Millionen Menschen, die in Österreich nicht wählen dürfen. Wie werden sie vertreten?

Als leidenschaftliche Wählerin – ich war immer stolz auf meine, eine, Stimme – möchte ich andere davon überzeugen, wie wichtig es ist zu wählen. In meinen Deutschlerngruppen kam ich auch immer wieder auf Themen wie Mitbestimmung und Wahlfreiheit. Aber wem erzähle ich das eigentlich? Wenn Staatsbürgerschaft an immer höhere Einkommen gekoppelt ist, werden viele diese Hürden gar nicht nehmen können. Das ist echt keine gute Entwicklung für eine gesunde Demokratie.

Für ein Thema öffentlich einzustehen, dafür auf die Straße zu gehen und mit unbekannten Menschen im öffentlichen Raum darüber zu diskutieren, das braucht nicht nur Wissen um das Thema selbst und eine gute Portion Gleichmut. Es braucht einen moralischen Nährboden, auf dem der dafür nötige Mut wachsen kann.

Vielleicht gilt das nicht für jedermann/frau. Sicherlich gibt es Menschen, die furchtlos in Konfrontationen hineingehen und gerne Protest auszudrücken. Bei mir lösen solche Aktionen aber eher ein Unbehagen aus. Natürlich wird es Unterstützung und ermutigende Zustimmung geben. Aber ich werde auch auf Ignoranz, Unverständnis und Ablehnung stoßen. Gerade der Yoga aber, als ein Weg Richtung ganzheitlicher Verbundenheit, möchte Trennendes überwinden und nicht Gräben aufreißen.

Kann ich aus der Yogaethik jene Überzeugungskraft und Tatkraft schöpfen, die ich für diese „Pass Egal Wahl“ brauche? Ich möchte es mit dem Yama Asteya versuchen.

Asteya wird im Yoga Sutra beschrieben, auf der ersten Stufe des berühmten Achtfachen Pfades. Traditionell wird es mit Diebstahl gedeutet, es ist dem „Du sollst nicht stehlen“ aus den 10 Geboten also sehr ähnlich.

Ich habe dieses Sutra in meinem Buch weiter gefasst und von der Verletzung von Eigentumsrechten auf eine generelle Rechtsverletzung, und zwar von Mensch-, Tier- und Umweltrechten, umgedeutet. Sind nicht auch das Recht auf ein gutes Leben, das Recht auf Bildung und auf einen unversehrten Körper existentiell bedeutsamt?

Geholfen hat mir dabei die Auseinandersetzung mit der UNO-Deklaration der Menschenrechte von 1948. Die Charta wurde nach dem Schrecken beider Weltkriege aus gutem Grunde proklamiert. Nie wieder wollte man soviel Unrecht zulassen. Auch wenn die Realität heute anders aussieht und diese Forderungen nie global anerkannt wurden, so ist für mich diese Deklaration noch immer ein leuchtendes Beispiel an Humanismus und positiver Gestaltungskraft.

In der UNO-Deklaration der Menschenrechte findet sich mit dem Art. 21 das Recht auf politische Mitbestimmung. Das Recht auf politische Mitbestimmung ist also ein Menschenrecht, ein Grundrecht. Bei der „Pass Egal Wahl“ geht es um das Recht auf Teilhabe und Mitbestimmung in einer funktionierenden Demokratie.

Auf der Website des Bundeskanzeramtes kann man nachlesen: „Österreich trat der (Europäischen) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) im Jahr 1958 bei. Bei der EMRK und ihren Zusatzprotokollen handelt es sich um völkerrechtliche Verträge zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates. Ihnen kommt in Österreich seit dem Jahr 1964 der Rang von Verfassungsrecht zu.“

Trotzdem haben wir es geschafft, in einem der reichsten Länder dieser Welt, mit immer verschärfteren Gesetzen und Einkommenshürden, dass Staatsbürgerschaft und somit Mitbestimmung für viele inzwischen nicht mehr möglich ist und sie so zu Menschen zweiter Klasse werden. Menschenrechte muss man sich, auch in Österreich, offenbar leisten können. Das ist demokratiepolitisch gefährlich. Ein weiterer wichtiger Ausschlussgrund ist, dass Österreich keine Doppelstaatsbürgerschaften zulässt, in vielen anderen europäischen Ländern (wie Frankreich, Italien, Portugal, Rumänien, Polen, Griechenland, Ungarn, Belgien, Finnland und Dänemark) ist das aber möglich.

Ich weiß also, warum ich mich bei der PEW engagiere. Ich stehe dort für Art. 21 aus der UNO-Charta von 1948 und ich stehe dort auch für Asteya, dem Recht auf Teilhabe. Wenn ich das für mich so begründe, fasse ich Mut.

Pass Egal Wahl in Traisen

Wann: Samstag, 7.9.2024, 09.00 – 15.00 Uhr
Wo:  Vor dem SPAR-Binder Markt in Traisen, Hainfelder Bundesstraße 40

Schaut vorbei!

Ihr könnte dort als österreichische:r Staatbürger:in eine Solidaritätsstimme abgeben und als Nicht-Wahlberechtigte zumindest im Rahmen der PEW bei der Nationalratswahl 2024 teilnehmen.

 

Mehr Infos zur „Pass Egal Wahl“ gibt es bei:

https://www.sosmitmensch.at/

https://zusammenhaltnoe.at/pass-egal-nationalratswahl-2024wahl/