ATMEND GEDANKEN BERUHIGEN

Dieser Artikel wurde von mir 2018 für einen Newsletter der NÖGKK geschrieben und war Teil des Auftrags, einen Vortrag zum Thema „Office Yoga“ zu entwickeln.

ATMEND GEDANKEN BERUHIGEN

Die vor ca. 2.000 Jahren verfassten Yoga Sutren zählen zu den wichtigsten Grundlagentexten der Yogalehre. Gleich zu Beginn wird darin schon der Zustand des Yoga beschrieben bzw. das Ziel des Yogaübens klar definiert: yogash citta vritti nirodha (YS 1.2). Aus dem Sanskrit ins Deutsche übersetzt bedeutet das in etwa: Yoga ist das Zur-Ruhe-Kommen der Bewegungen des Geistes.
Was bedeutet diese Anweisung für einen Büromenschen des 21. Jahrhunderts, der in rascher Abfolge SMS beantworten, E-Mails checken und im Gespräch mit Kunden, Vorgesetzten und Kollegen schnelle Antworten und Lösungen liefern muss?
Kann man diesen Anspruch überhaupt sinnvollerweise stellen? Können wir uns doch unmöglich mit Asketen vergleichen, die in den Höhlen des Himalaya oder in klösterlicher Gemeinschaft in meditativer Muße ihre Gedanken betrachten und dabei die Nicht-Identifikation mit den Gedanken und das Nicht-Bewerten dieser üben können.
Selbst wenn es unmöglich scheint, ist es wohl einen Versuch wert! Denn auch wir Alltagsmenschen brauchen eine Methode, die uns hilft, aus der inneren Ruhe zu handeln, gleichmütig und auf das Wesentliche ausgerichtet. Gedanken sollen uns dienen und nützlich sein, aber nicht den Schlaf rauben. Es muss also möglich sein, immer wieder ganz bewusst eine Distanz zu den eigenen Gedanken zu finden, die heilsamen darunter zu stärken und die negativen loszulassen.
Denn Menschen im Dauerstress werden krank und schaden auch ihrem Umfeld. Schließlich sind wir Menschen kommunizierende Geschöpfe und die spürbare Angespanntheit von anderen, egal ob von Kunden, Vorgesetzten oder Kollegen, wirkt in uns weiter. Gestaute Energie, oft unachtsam rausgeschossen, verletzt. Überdies führen uns Gedanken, gerade wenn sie angstgetrieben sind, oft auch in die Irre. Nur dann, wenn das Geistfeld sich beruhigt, sich glättet wie eine Wasseroberfläche bei Windstille, nur dann kann jene Fähigkeit aufblitzen, die wir auch im Büroleben immer wieder benötigen und vielleicht sogar ersehnen – die Intuition.

Was nun konkret tun?
Begrüßen Sie Ihren Atem als jenen Lehrmeister, der ihnen helfen kann, wieder etwas Distanz zu Ihren Gedanken zu bekommen. Vertieft sich der Atem, wobei z. B. Gähnen, Dehnung oder ein Händedruck hilfreich sind, können Gedanken entspannt und aufgestaute Gefühle wieder befreit werden.

Übung 1 – GÄHNEN
Entspannen Sie den Unterkiefer, lassen sie das „Kinn fallen“, wobei sich der Mund etwas öffnet. In dieser „Gähnstellung“ (auch „Blödschauen“ genannt) löst sich mit dem Einatmen gerne ein Gähnen. Sollte das nicht eintreten, versuchen Sie so zu tun, als würden Sie gähnen. Lassen Sie das Gähnen mehrmals zu und beobachten Sie dabei das Spiel Ihrer Gesichtsmuskeln. Viel Verspannung setzt sich nämlich im Gesicht fest. Gähnen entstresst und vertieft den Atem. Außerdem bringt es Tränenfeuchtigkeit in müde und trockene Büroaugen.

Übung 2 – IN DIE SEITBEUGE DEHNEN
Verschränken Sie die Finger ineinander und bringen Sie die Arme über vorne nach oben. Drehen Sie die Handinnenflächen zur Decke und dehnen Sie dann abwechselnd nach rechts und links in eine sanfte Seitbeuge. Wenn es angenehm ist, halten Sie eine Seitbeuge einige Atemzüge und atmen Sie dabei tief in die gerade geöffnete Körperseite ein. Nehmen Sie sich danach unbedingt Zeit zum Nachspüren. Wie strömt der Atem in die gedehnten Seiten ein? Beschreiben Sie das Gefühl.

Übung 3 – BAUCHATMUNG MIT SANFTEM HÄNDEDRUCK
Reiben Sie die Hände aneinander und legen Sie die warmen Hände auf Ihren Bauch. Die Wärme der Hände verlockt den Bauch dazu, beim Einatmen groß und rund zu werden. Ausatmend zieht sich die Bauchdecke wieder zurück. So wird Ihre Atmung vertieft und das Zwerchfell gestärkt. Genießen Sie die Fülle des Einatems und lassen Sie mit dem Ausatem spürbare körperliche Anspannungen sowie auftauchende Gedanken los. Jeder Ausatem ist die stets nächstbeste Gelegenheit, Ihre Gedanken freundlich, aber bestimmt zur Ruhe zu bitten.

Übung 4  –  IM NOTFALL MIT DER ENERGIE DES LÖWEN
Sollte Ihnen einmal „alles über den Kopf wachsen“ oder Sie „die Nase so richtig gestrichen voll“ haben, dann können Sie folgende Notfallsübung probieren. Sitzend oder stehend kann man mit dem Löwen nämlich einmal ausgiebig „Luft rauslassen“. Sie atmen tief ein und strecken ausatmend kräftig Ihre Zunge heraus. Zusätzlich können Sie Ihre Unterarme etwas anheben und die Finger spreizen – wie ein Löwe, der seine Krallen zeigt. Schon nach dreimaliger Wiederholung fühlt man sich meistens erfrischt und kann vielleicht schon über den gerade erlebten Ärger schmunzeln.

Alles Gute für Ihren Büroalltag wünscht Ihnen

Mag. Alexandra Eichenauer-Knoll, MA,
Yogalehrerin BYO/EYU